Gynäkologin klärt auf
2/08/2024

Gynäkologin klärt auf: Was ist PCOS, was hat es mit deinen Haaren zu tun und Tipps, die betroffenen Frauen im Alltag helfen

In diesem Artikel erfährst du alles über das PCO-Syndrom und wie diese hormonelle Erkrankung bei Frauen Auswirkungen auf das Haar haben kann. Wir haben dazu eine Expertin befragt – Dr. Christina Keller ist Gynäkologin und liefert praktische Tipps für alle, die unter diesem Syndrom leiden.  

Magst du dich kurz vorstellen? 

Mein Name ist Dr. Christina Keller, ich bin seit fast 2 Jahrzehnten Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Als Frauenärztin und Mutter von 3 Töchtern liegt mir das Wohlbefinden und die Gesundheit von Frauen sehr am Herzen. Deswegen habe ich mich besonders auf das Gebiet Hormone, Haut und Haar spezialisiert. 

Gynäkologin klärt auf: Dr. Christina Keller

Was ist PCOS? 

PCOS steht für polyzystisches Ovarsyndrom, eine hormonelle Störung bei Frauen in gebärfähigem Alter. Die namensgebenden "Zysten" in den Eierstöcken (Ovarien) sind eigentlich gar keine. Bei den kleinen Bläschen, die im Ultraschall zu sehen sind, handelt es sich um unreife Eizellen. Und nur 70 Prozent der betroffenen Frauen haben überhaupt dieses Symptom.  

Beim PCO-Syndrom handelt es sich um eine Störung im weiblichen hormonellen Regelkreis. 

Die Zellschicht, die die Eizellen umgibt, ist nicht empfindlich genug für das Hormon, welches sie eigentlich zur Reifung anregen sollte. Dazu kommt, dass die Eierstöcke durch diese Unempfindlichkeit die Fähigkeit verlieren, das männliche Hormon Testosteron, das auch bei Frauen gebildet wird und unter anderem als Vorstufe zu den Östrogenen dient, in Östrogen umzuwandeln. Männliche Hormone stauen sich dadurch im Körper an, was zu all den lästigen Symptomen führen kann. 

Deswegen geht das PCO-Syndrom für viele Betroffene mit Körperbehaarung, vermehrtem Haarausfall, Gewichtszunahme und Zyklusstörungen einher. 

Was sind die Ursachen? 

Wie die Krankheit entsteht, ist nicht vollständig geklärt. Sicher ist, dass die Gene mitentscheiden: Frauen, die betroffen sind, haben oft Mütter mit PCO-Syndrom oder Väter, die hormonell bedingt früh eine Glatze bekommen haben.  

Außerdem ist der Zusammenhang des Syndroms mit dem Körpergewicht auffällig: Drei von vier Betroffenen sind übergewichtig. Die meisten Frauen, auch die normalgewichtigen, leiden zudem an einer Insulinresistenz, das heißt ihre Zellen reagieren nicht mehr auf das hormonelle Signal des Insulins, den Zucker aus dem Blut aufzunehmen - der Blutzuckerspiegel steigt. Der Körper produziert daraufhin immer mehr Insulin. Deswegen haben Frauen mit PCO-Syndrom ein erhöhtes Risiko, an Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken.  

Diese Insulinresistenz begünstigt wiederum Übergewicht, weil das Hormon den Körper veranlasst, immer mehr Energie zu speichern, zudem fördert es die Produktion männlicher Hormone - ein Teufelskreis. Ist das empfindliche Zusammenspiel der Hormone im weiblichen Körper gestört, kann das PCO-Syndrom Unfruchtbarkeit verursachen. 

Welche Probleme entstehen durch PCOS für Betroffene? 

Beim PCO-Syndrom können verschiedene Symptome in unterschiedlicher Ausprägung auftreten. Die Monatsblutungen werden unregelmäßig oder bleiben ganz aus. Die Haare auf dem Kopf fallen aus, ähnlich wie bei Männern entstehen Geheimratsecken, im schlimmsten Fall eine Glatze.  Dafür wachsen Haare an unliebsamen Stellen wie z.B. den Oberschenkeln, Bauch, Brust, Rücken, Kinn und Wangen. Die Haut wird fettig, außerdem leiden die Betroffenen häufig an Akne – auch nach der Pubertät.  

Das PCO-Syndrom ist eine der häufigsten Ursachen von Unfruchtbarkeit, der Kinderwunsch bleibt unerfüllt.  

Die körperlichen Beschwerden haben häufig deutliche Auswirkungen auf die Psyche der Betroffenen. Nach den Wechseljahren gehen die Beschwerden bei vielen deutlich zurück. 

  

Was hat PCOS mit der Haargesundheit zu tun? 

Wegen des erhöhten Anteils männlicher Hormone im Körper, der zu Haarausfall und Haarwachstum an unerwünschten Stellen wie Gesicht und Körper führt, ist PCOS insbesondere auch dann ein Problem, wenn die Frauen zusätzlich unter einer Überempfindlichkeit gegenüber DHT (Dihydrotestosteron) leiden, der Ursache für erblich bedingten Haarausfall. Dihydrotestosteron ist ein Nebenprodukt des Testosterons, das sowohl bei Frauen als auch bei Männern vorkommt Dihydrotestosteron lässt die Haarfollikel schrumpfen, wodurch das Haar immer dünner wird und schließlich ausfällt.  

Frauen sind davon meist erst in ihren 40ern betroffen. Wenn man aber unter PCOS leidet, macht sich der Haarausfall oft schon in den frühen 20ern oder sogar schon in der Pubertät, bemerkbar. Der typische Verlauf ist dabei eine sichtbare Ausdünnung des Scheitels und eine fortschreitende Ausdünnung im Bereich der Geheimratsecken. 

Nicht nur der erhöhte DHT-Spiegel kann bei Frauen mit PCOS Haarausfall verursachen. Auch der gestörte Hormonhaushalt beeinflusst den Körper sehr stark, sodass es zu einem übermäßigen Haarverlust kommen kann. Hormonell bedingten Haarausfall erkennt man an dem plötzlichen Haarausfall auf der gesamten Kopfhaut. 

Hast du praktische Tipps für deine PCOS-Patienten? 

Auch wenn sich die Krankheit nicht heilen lässt, können die Symptome doch deutlich gemildert werden. Bei Übergewicht bewirkt die Gewichtsabnahme allein oft eine deutliche Besserung. Allerdings ist Abnehmen für Betroffene durch die gestörte Hormonkonstellation häufig schwer.  

Eine Veränderung des Lebensstils und der Ernährungsgewohnheiten hilft, den gestörten Hormonhaushalt wieder zu regulieren. Denn wenn die Muskeln aktiv sind und insbesondere das hormonproduzierende Bauchfett schmilzt, reagieren die Zellen besser auf Insulin, der Blutzuckerspiegel sinkt - und damit auch die Produktion männlicher Hormone. Daher sollten vor allem Weißmehlprodukte und Süßigkeiten möglichst gemieden werden. Stattdessen gehören mehr Gemüse, Vollkorn und sättigendes Eiweiß auf den Speiseplan, kombiniert mit omega-3-haltigen Ölen wie Walnuss- oder Leinöl 

 

Auch regelmäßige sportliche Betätigung hilft, das Körpergewicht zu regulieren. 

Falls eine Insulinresistenz nachgewiesen ist, kann begleitend zur Ernährungstherapie zumindest vorübergehend auch eine Therapie mit oralen Diabetes-Medikamenten wie Metformin angezeigt sein. Dadurch bessern sich die Probleme mit dem Zuckerstoffwechsel, eventuell aber auch die Zyklusstörungen und andere Symptome. 

 

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